Haben Sie die Schlange wirklich nicht gesehen?

Ihr Gespräch mit Professor S. in seinem Büro schoss ihr plötzlich wie ein Pfeil durch den Kopf.
„Geht es Ihnen gut …“, wurde Gaira durch die zuckende Lekto aufgeschreckt, „oder sind Sie etwa eingeschlafen?“
Lekto reagierte empört, weil Gaira sie aus ihren Gedanken gerissen hatte. Wo war sie stehen geblieben? Ah ja, bei seiner Antwort auf ihre Frage, ob man anhand der Bisswunde erkennen könne, welche Schlangenart gebissen habe. Er hatte das verneint. Hatte Faber im Krankenhaus doch eine Beschreibung der Schlange geliefert?
Lekto kramte leise Fabers Bericht aus ihrer Tasche und schlug ihn auf:

»Dr. Eleutheropulos war gerade hier«, sagt sie, »es ist keine Kreuzotter gewesen, meint er -«
(…)

»Wieso keine Kreuzotter?« frage ich.*

Wieso hatte Doktor Eleutheropulos gewusst, dass es eine Aspisviper gewesen war? Sie spürte die Worte von Eleutheropulos durch ihr Hirn kriechen: „(…) laut Aussage des Mannes, der sie gebracht hat, wurde sie erst von einer Aspisviper gebissen.“ Das ließ nur einen Schluss zu: Faber hatte die Schlange gesehen und im Krankenhaus eine Beschreibung abgegeben! Wie hatte sie das beim Telefonat bloß überhören können? Oder der Arzt war ein Verrückter und hatte Sabeth auf gut Glück irgendetwas injiziert. Nein, Eleutheropulos hatte sich natürlich mit der Beschreibung an einen Experten gewandt, der die Schlange als Aspisviper und keine Kreuzotter identifiziert hatte.

*Frisch, M. (1977). Homo faber: Ein Bericht. In Homo faber: Ein Bericht (85. Aufl., S. 126-127). Suhrkamp Verlag.

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